Vor ziemlich genau einem halben Jahr kam es auf dem Tag des Deutschen Baugewerbes zu einem damals vielbeachteten Sexismus-Vorfall als der Präsident des Zentralverbandes Das Deutsche Baugewerbe (ZDB) sich gegenüber der Moderatorin in eindeutig sexueller Weise äußerte. Die damalige Empörung ebbte schnell ab, der ZDB veröffentlichte eine lahme Entschuldigung. Doch wir bleiben zusammen mit anderen Akteur*innen an dem Thema dran.
Wie wichtig – und wie überfällig – es ist, zeigte das Panel „Sexismus in der Baubranche“ am 25. Mai im Rahmen der Real Estate Arena in Hannover. Unsere Vorsitzende Karin Hartmann diskutierte auf Einladung von F!F Frauen in Führung die Folgen von und Lösungsmöglichkeiten für Sexismus in Architektur und Immobilienbranche.
Geändertes Bewusstsein für Sexismus am Arbeitsplatz
Während früher Vorfälle wie oben beschreiben, der obligatorische Baustellenkalender, blöde Sprüche oder sogar ungewollte Berührungen weggelächelt wurden, gibt es heute ein größeres Bewusstsein für Sexismus am Arbeitsplatz. Das zeigte sich an der großen Beachtung, die die gutbesuchte Veranstaltung erhielt: Hier brennt vielen etwas unter den Nägeln.
In der Diskussionsrunde, an der neben Anne Tischer als Initiatorin und Karin Hartmann noch Nadine Otto, Geschäftsführerin der Gundlach Bau und Immobilien GmbH und Marie Döscher, Juristin und Expertin für Compliance teilnahmen, wurde schnell deutlich: Der Vorfall ist die Spitze des Eisberges – oder die Schwanzspitze des Elefanten, der in vielen Planungsbüros im Raum steht: Frauen in der Architektur sind mit Sexismus konfrontiert.
Sexismus ist eine Benachteiligung von Menschen aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung. Dies geschieht häufig sehr unterschwellig – das Unterbrechen in Besprechungen ist ein klassisches Beispiel. Eine unterschiedliche Beurteilung bestimmter Verhaltensweisen oder die Zuteilung von Fleißarbeit und Sichtbarkeit sind weitere Beispiele. Diese Form der Diskriminierung basiert auf unbewussten Stereotypen und wirkt strukturell. Häufig kommt es zu einer Potenzierung von Benachteiligung, wenn unterschiedliche Merkmale zusammenkommen – beispielsweise Alter, Hautfarbe oder Religion.
Folgen von Sexismus und einer toxischen Arbeitskultur
Doch nicht nur Betroffen sind sensibler. Auch auf der Führungsebene tut sich etwas, wie Marie Döscher berichtete, die große Unternehmen in Compliance-Fragen berät, idealerweise bevor es zu einem Vorfall kommt.
Besonders größere und große Unternehmen aus der Immobilienbranche nehmen sich dem Thema an. Angestoßen wird der Prozess häufig durch die EU-Regulatorik, die Unternehmen zunehmend in die Pflicht nimmt, über ihre Nachhaltigkeitsbemühungen Bericht zu erstatten. Dazu gehört auch die soziale Nachhaltigkeit.
Ein weiterer Antrieb liegt in der Minimierung des wirtschaftlichen Risikos: Wenn Mitarbeitende aufgrund von Benachteiligung oder einem schlechten Arbeitsklima beispielsweise häufig wechseln und neue Mitarbeitende sowie Kunden aufgrund des fragwürdigen Rufs einen Bogen machen, entsteht schnell ein finanzieller Schaden.
Folgen für die gebaute Umwelt
In der Architekturbranche beschränken sich die Folgen nicht nur auf das Unternehmen, sondern können sich auf die gebaute Umwelt und damit auf die Gesellschaft auswirken. Wenn die Perspektive von Frauen in Büros fehlt oder unterrepräsentiert ist, wird auch das Ergebnis hier einen Mangel aufweisen, wie Karin Hartmann untersucht hat.
Doch gerade in der Architekturbranche mit den vielen mittleren und kleineren Büros und dem Nimbus, Architektur zu leben, ist die Notwendigkeit zu handeln, noch nicht angekommen. Dabei kann das Ziel gute Architektur zu schaffen, nur erreicht werden, wenn alle ihr Bestes geben. Dafür braucht es ein gutes Betriebsklima.
Lösungsansätze gegen Diskriminierung
Dass Sexismus nicht länger abgetan wird, sondern als Problem und Risiko erkannt wird, ist ein erster wichtiger Schritt, um ins Handeln zu kommen. Grundsätzlich ist eine wertschätzende und von Respekt geprägte Unternehmenskultur hilfreich, die von der Spitze vorgelebt und von allen in einem gemeinschaftlichen Prozess gestaltet wird.
Immer mehr Unternehmen – vor allem größere – schaffen beispielsweise Anlaufstellen und Strukturen, die Betroffenen helfen. Diese helfen allen Personen, die von Diskriminierung im Unternehmen betroffen sind.
Bei der Erarbeitung und Umsetzung neuer Regeln und Strukturen ist der gemeinsame Dialog wichtig. Alle sollten den Prozess mitgestalten und auf Augenhöhe an ihm teilhaben. So wird auch hier keine Perspektive übersehen und die Akzeptanz ist groß.