Vor etwa hundert Jahren veränderte das Auto unsere Mobilität und das Erscheinungsbild unserer Städte. Und vor gerade mal zehn Jahren glaubte Steve Ballmer, CEO bei Microsoft, dass sich das iPhone nicht durchsetzen wird. Aktuell erleben wir eine vergleichbare Umwälzung im Planungs- und Bauprozess. Die ai regional Köln hatte am 18.10. zu den Themen BIM und Lean Construction eingeladen.
Die Architektin Monika Dopatka und die Wirtschaftsingenieurin Laura Neuhoff (Prozessplanung / Prozesscontrolling) wenden bei BAUWENS beide Methoden an. Sie führten in das jeweilige Thema ein und teilten ihre Erfahrungen mit den 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Veranstaltung. Außerdem berichteten sie über Synergien, die durch die Kombination beider Methoden erzielt werden können.
BIM – erst virtuell, dann real bauen
Noch vor 25 Jahren wurde ausschließlich am Reißbrett gezeichnet. Nun bieten die Digitalisierung und neue Technologien die Möglichkeit, ein Gebäude erst virtuell zu erstellen, bevor es in der Realität gebaut wird – bekannt unter Building Information Modelling (BIM).
Die Einführung von BIM als allgemeine Arbeitsweise gestaltet sich allerdings nicht einfach. Neben hohen Kosten für die entsprechende Hard- und Software schrecken vor allem der Aufbau neuer Kompetenzen, der Zeitaufwand für das Erstellen von Standards sowie die Anpassung von Prozessen in der Entwicklung, Planung und Realisierung ab.
Dem gegenüber stehen die Vorteile der erweiterten 3D-Arbeitsweise:
- Datenbankbasiertes 3D-Modell als zentrale Informationsquelle
- Pläne werden als Ableitung aus dem Modell erstellt
- Auswertung von Massen, Flächen, Kubatur etc. als Ableitung aus dem Modell
- Automatische Überarbeitung sämtlicher abgeleiteter Unterlagen bei Änderungen (Verteilung weiterhin erforderlich)
- Hohe Transparenz, alle Informationen können von allen Beteiligten jederzeit aus dem Modell entnommen werden
Die BAUWENS Unternehmensgruppe, die in den Bereichen Projektentwicklung sowie dem Planen, Bauen und Betreiben von Immobilien tätig ist, hat 2015 die Grundlage für die Umsetzung der BIM-Philosophie gelegt. Bei dem unternehmenseigenen Projekt TRIAS wurde die CAD-Software Revit eingeführt und ein BIM-Manager eingestellt. Damit wurde ein Prozess gestartet, in dessen Verlauf die Schulung der Mitarbeiter, die Umstellung der Arbeitsweise und auch die Weiterentwicklung und Anpassung der BIM-Inhalte (u.a. Bauteile und Daten) kontinuierlich vorangetrieben wird.
Eine herausfordernde Aufgabe, die sich aber aus Sicht von BAUWENS lohnt. Mehrwerte für das Unternehmen sind:
- Erhöhung der Transparenz und Sicherheit
- Beschleunigung von Entscheidungsprozessen
- Erhöhung der Qualität von getroffenen Entscheidungen
- Reduzierung von Verschwendungen in den Prozessen wie z. B. Doppelarbeit
- Kooperativere und offenere Zusammenarbeit aller Beteiligten
- Steigerung der Attraktivität als Arbeitgeber und Wirtschaftspartner
- Steigerung der Zukunftsfähigkeit im Rahmen der digitalen Arbeitswelt
Lean Construction – prozessorientiertes Denken für mehr Kundenzufriedenheit
Auch beim Management des Bauprozesses setzt BAUWENS auf neue Methoden: Lean Construction. Diese Vorgehensweise ist für die Automobilindustrie entwickelt worden (Lean Production) und hat das Ziel, die Kundenzufriedenheit durch hohe Qualität sowie Kosten- und Termintreue zu steigern.
Erreicht wird dies durch ein Umdenken in der Vorgehensweise: Der Einsatz von Arbeitskräften und materiellen Ressourcen wird nicht rein funktional von „oben“ gesteuert, sondern entsprechend der Notwendigkeiten im Produktionsprozess.
Dies führt zu kurzen Durchlaufzeiten, die eine hohe Reaktionsfähigkeit ermöglichen, statt hoher Bestände für eine vermeintlich hohe Lieferbereitschaft. Nachteile der letztgenannten Vorgehensweise sind unter anderem große Lagerflächen, weite Transportwege sowie lange Reaktions- und Wartezeiten – also die Verschwendung von Fläche, Kraftstoff und Arbeitszeit.
Gleichzeitig werden Missstände wie Maschinenausfälle, fehlerhafte Produkte oder aufgebrauchte Terminpuffer lange nicht erkannt, da es ja „irgendwie“ doch immer noch klappt. Daher umfasst das Lean Management auch die konsequente und frühzeitige Auseinandersetzung mit Problemen und Fehlern. Diese werden möglichst kurzfristig gemeldet, überprüft und behoben.
Angepasst auf die Bauindustrie soll mit Lean Construction das Kernproblem – die ungenügende kurzzyklische Termineinhaltung während des Projektverlaufs – behoben werden. Durch die Verschiebung von Fertigstellungsterminen der einzelnen, rein funktional geplanten Gewerke kommt es zu gegenseitigen Behinderungen, einem enormen Steuerungsbedarf, Qualitätsproblemen sowie schlussendlich zu Bauzeit- und Kostenüberschreitung.
Die Gestaltung von verschwendungsarmen Prozessen in der Bauindustrie beruht auf den vier Prinzipien des Lean Construction:
Fließ-Prinzip:
- Die Gewerke bewegen sich wie ein Zug durch das Objekt
- Definition von kleinen, sinnvollen Bereichen
- Größtmögliche Verzahnung der Gewerke
Takt-Prinzip:
- Der Takt gibt die Geschwindigkeit der Leistungserbringung
für alle Gewerke an - Arbeitsinhalte der Gewerke werden auf den Takt abgestimmt
Zieh-Prinzip:
- Der vom abgeschlossenen Vorgängerprozess ausgehende Impuls gibt das „Zieh“-Signal für den Start des Nachfolgeprozesses
Null-Fehler-Prinzip:
- Direkte Fehlerrückmeldung nach Überprüfung in möglichst kurzen Zeiteinheiten
- Fehlerreduzierung von Bauabschnitt zu Bauabschnitt
Werden beide Methoden kombiniert, ergeben sich vor allem in der Taktplanung viele Synergien:
- Visualisierung der Taktbereiche im Modell
- Abgleich des repräsentativen Taktbereichs mit den realen Taktbereichen
- Schnelle Massenermittlung für die Gewerkesequenz
- Verknüpfung von LV und Gewerkesequenz (Plausibilitätsprüfung)
- LV-Erstellung auf Basis der Taktplanung (taktbereichsweise)
- Visualisierung der Flächen taktbereichsweise
- Verknüpfung von Modell und Terminplan (z.B. für Leistungsstandmeldungen)
- Ermittlung taktbereichsgenauer Kapazitäten
Anna Effertz (links), 2. Vorsitzende der ai, bedankt sich bei den Referentinnen.