So wird der Elefant zur Mücke – Der Weg zu mehr Chancengleichheit im Architekturbüro

Gleich zwei aktuelle Studien zeigen: die Arbeitswelt im Architekturbüro ist für weiße Männer gemacht. Sie machen deutlich weniger schlechte Erfahrungen als andere Angestellte, ihre Karrieren verlaufen einfacher und steiler.

In der Studie „The Elephant in the (Well-Designed) Room” des American Institute of Architects (AIA) und des Center for WorkLife Law der Universität von Kalifornien attestieren die Autorinnen Joan C. Williams (JD), Rachel M. Korn (PhD) und Rachel Maas (MPH) der Architekturbranche eine Kultur, die durch unbewusste Stereotype (bias) geprägt ist und dadurch Chancen ungleich verteilt.

Die Studie „Mehr Frauen in Führung in der deutschen Immobilienwirtschaft – Wie gelingt der Wandel?“ des Bündnisses „Frauen in Führung“ (F!F) aus der Immobilienwirtschaft zeigt, dass die Ergebnisse auch auf Deutschland übertragbar sind. Prof. Dr. Stephanie Birkner und Prof. Dr. Tobias Just untersuchen die Bremsklötze für mehr Frauen in Führung.

Eine ausführliche Zusammenfassung der Ergebnisse lesen Sie hier.

Bewusstsein schaffen: Von Chancengleichheit profitieren alle

Die FiF- Studie zeigt deutlich: Männer bewerten die Problematik weit weniger relevant als Frauen. Diese Ignoranz ist gefährlich. Sie gefährdet die Zukunftsfähigkeit unseres Berufs. Die Baubranche steht unter Handlungsdruck von außen (z. B. Klimawandel, Ressourcenknappheit, gesellschaftliche Veränderungen) und innen (u.a. Fachkräftemangel, Digitalisierung). Wir brauchen innovative Antworten und neue Perspektiven.

Besteht allerdings ein Bewusstsein für bestimmte Handlungsmuster und werden dieses unterbrochen ergeben sie viele positive Effekt:

  • Unterschiedlichste Studien zeigen immer wieder: Diverse Teams sind kreativer und erfolgreicher – auch wirtschaftlich.
  • Eine Unternehmenskultur, die Wertschätzung und Zugehörigkeit vermittelt, führt zu einer höheren Loyalität der Mitarbeitenden.
  • Unbewusste Stereotype drängen jeden in eine bestimmte Rolle und damit einhergehende Verhaltensmuster. Ein Aufbrechen dieser Strukturen verhilft also allen zu mehr Freiheit und Authentizität.  

Unbewusste Stereotypen aufdecken und Handlungsmuster unterbrechen

Wie es gelingen kann, das eigene Handeln und damit die Unternehmenskultur zu verändern, zeigt die Studie aus den USA.

Jeder von uns hat Stereotype im Kopf. Sie helfen, beispielsweise Entscheidungen schnell zu treffen. Doch diese sind nicht immer die besten. Die Stereotype entstehen durch äußere Einflüsse – Erfahrungen, Erziehung, Bildung, gesellschaftliche Normen. Bei der Unterbrechung von diskriminierenden Handlungsmustern geht es nicht um die Veränderung einzelner Personen, sondern um die Veränderung des Systems. Doch wie kann das gelingen?

 Die Studie aus den USA identifiziert sechs Handlungsfelder. Dort empfiehlt sie ein klassisches betriebswirtschaftliches Vorgehen: Daten erheben und auswerten, Gegenmaßnahmen ergreifen, Maßnahmen evaluieren und evtl. nachjustieren.

Handlungsempfehlungen für eine neue, gerechtere Arbeitskultur

Der Einstellungsprozess: Hier gibt es drei Stellschrauben – die Ausschreibung, die Auswahl und das Vorstellungsgespräch. Vermeiden Sie Texte und Bilder, die bestimmte Personen besonders ansprechen. So schreckt ein Wort wie leistungsorientiert Frauen eher ab, besser wäre engagiert. Entwickeln Sie für den Auswahlprozess objektive und messbare Kriterien. Gleiches gilt für das Vorstellungsgespräch. Ein strukturiertes Gespräch, in dem Sie bei allen vergleichbare Fragen stellen, die sich am Stellenprofil orientieren, führt dazu, die beste Person für den Job zu finden.

Die Arbeitsverteilung: In jedem Büro gibt es Aufgaben, die einem die Möglichkeit bieten, sich zu zeigen und es gibt die „Fleißarbeit“. Achten Sie darauf, wer welche Aufgaben bekommt. Rotieren Sie beispielsweise bei der Erledigung der Aufgaben, um allen die Chance zu geben, sich zu profilieren.

Die Leistungsbewertung: Präzisieren und Objektivieren Sie die Anforderungen und machen Sie sie transparent. Bieten Sie unterschiedliche Möglichkeiten, Erfolge zu zeigen, beispielsweise in der internen Bürokommunikation. Seien Sie bei der Leistungsbeschreibung möglichst präzise und nennen Sie die einzelnen Erfolge und Stärken.

Meetings: Auch hier gibt es viele Stellschrauben. Achten Sie darauf, dass Ideen nicht geklaut werden, indem sie von einem anderen Teilnehmenden wiederholt werden. Unterbinden Sie Unterbrechungen und achten Sie darauf, dass alle Teilnehmenden zu Wort kommen – ermutigen Sie sie eventuell.

Elternzeit: Planen Sie die Elternzeit langfristig und gemeinsam – ebenso wie die Rückkehr. Etablieren Sie Mentor*innen für Mitarbeitende in Elternzeit, die den Aus- und Wiedereinstieg begleiten. Ermutigen Sie Väter, Elternzeit zu nehmen und sprechen Sie es an, wenn Sie bemerken, dass Eltern Probleme mit der Vereinbarkeit haben.

Flexible Arbeitszeiten: Bieten Sie nicht nur Teilzeitmodelle und Home-Office an, sondern vermeiden Sie Überstunden auch bei Vollzeitjobs. Etablieren Sie eine Arbeitskultur, die nicht die reine Anwesenheit im Büro honoriert. 

Es klingt anstrengend – und das ist es auch. Besonders für kleine und mittlere Büros ohne HR-Abteilung. Doch es lohnt sich – für Ihr Unternehmen, für die Mitarbeitenden, für uns alle.

Das Aufdecken und unterbrechen von ungerechten Handlungsmustern im Arbeitsalltag ist aufwendig – besonders für kleine und mittlere Büros ohne HR-Abteilung. Doch es lohnt sich.
Bild: Katie Moum über unsplash.com