Der Elefant im Architekturbüro

In nahezu jedem Architekturbüro steht ein großer Elefant im Raum: Die Arbeitswelt ist geprägt durch unbewusste Stereotype. Weiße Männer machen häufig andere – positivere – Erfahrungen im Architekturberuf als alle anderen Angestellten. Für Women of Color ist es am schwersten, gefolgt von weißen Frauen und Men of Color. Das zeigen aktuelle Studien aus Deutschland und den USA. Sie zeigen auch, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um das zu ändern.

Unbewusste Stereotype fördern Architekten

Mit der Studie „The Elephant in the (Well-Designed) Room” untersuchen Joan C. Williams (JD), Rachel M. Korn (PhD) und Rachel Maas (MPH) für das American Institute of Architects (AIA) sowie dem Center for WorkLife Law der Universität von Kalifornien unbewusste Stereotype im Arbeitsalltag von Architekturschaffenden. Sie erschien im Dezember 2021 und beschreibt die unterschiedlichen Erfahrungen von Angestellten. 

Für die Studie wurden 1.346 Architektinnen und Architekten befragt, ergänzt durch ausführliche Interviews. Abgefragt wurden typische Erfahrungen, die auf ein Verhalten hinweisen, das durch unbewusste Stereotype (bias) geprägt ist. Dazu zählen:

  • das Unterbrechen während eines Redebeitrags im Meeting
  • die unterschiedliche Bewertung von gleichem Verhalten
  • die Anforderung, sich immer wieder zu beweisen
  • Karrierenachteile durch Elternzeit
  • Unterschiedliche Bezahlung bei gleicher Leistung
  • Ungleiche Verteilung von „Fleißarbeit“ und der Chance, „sich zu zeigen“

In allen Punkten machten weiße Männer die positiveren Erfahrungen. Sie werden weniger unterbrochen, sie bekommen die interessanteren Aufgaben in denen ihnen mehr zugetraut wird. Dies führt dazu, dass ihre Karrieren einfacher und steiler verlaufen. Treten Männer im Architekturbüro bestimmt und führungsstark auf, wird es ihnen positiv ausgelegt – es wird sogar von ihnen erwartet.

Karrieren von Frauen gestalten sich schwieriger

Lassen sich die Ergebnisse aus den USA auf Deutschland übertragen? Eindeutig: ja. Das zeigt eine aktuelle Studie des Bündnisses „Frauen in Führung“ (F!F) aus der Immobilienwirtschaft. Für die Studie „Mehr Frauen in Führung in der deutschen Immobilienwirtschaft – Wie gelingt der Wandel?“ haben Prof. Dr. Stephanie Birkner und Prof. Dr. Tobias Just 593 Probandinnen und Probanden aus der deutschen Immobilienwirtschaft befragt – ebenfalls ergänzt durch qualitative Interviews. 

90,6% der Teilnehmerinnen sehen Frauen benachteiligt bzw. eher benachteiligt. Als Hauptursache werden familiäre Gründe genannt. Bei Frauen mit Kindern wird häufig die Mutterrolle thematisiert, bei Vätern hingegen nicht. Auch die Eigeninitiative, die Männer für die Karriere aufbringen müssen, wird als geringer im Vergleich zu Frauen eingestuft. Sprich: Frauen müssen sich stärker beweisen.

Was können Sie tun?

In der F!F-Studie gaben 87,4% der Teilnehmerinnen an, einen starken Handlungsbedarf zu sehen, um die Situation von Frauen in der Immobilienwirtschaft zu verbessern. Männer sehen das anders: Über ein Drittel geht bereits von einer Gleichstellung aus, nur gut die Hälfte sieht Handlungsbedarf. 

Dies gibt einen wichtigen Hinweis: Da Männer häufig die Entscheider sind, mangelt es am Bewusstsein. Im ersten Schritt geht es also darum, das Bewusstsein für stärkeres Engagement zu wecken.

Die amerikanische Studie sieht vor allem zwei Schritte aus der klassischen Unternehmensführung, um unbewusste Stereotype zu überwinden. Erstens: Ziele definieren und messbar machen. Zweitens: Kleine Veränderungen im bestehenden System einführen, die ein Verhalten, das auf unbewussten Stereotypen basiert erschwert und so unterbricht.

Wie diese neuen Verhaltensmuster aussehen können, erfahren Sie hier.

Ein Elefant im Raum: Ein offensichtliches Problem, das aber keiner ansprechen geschweige denn angehen möchte.
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