„Ich finde es erstaunlich und erschreckend, wie viel Energie ihr noch in den Kampf für Gleichstellung stecken müsst. Diese Energie fehlt dann für andere ebenfalls relevante Themen.“ Mit diesem Ausspruch fasste eine skandinavische Kollegin im Juni beim Festival Women in Architecture die Situation von Europas Planerinnen zusammen. In den skandinavischen Ländern ist schon vieles selbstverständlich, wofür in Deutschland und noch stärker in den südeuropäischen Ländern gestritten werden muss.
Doch wie ist die Lage genau? Was kann man voneinander lernen? Und – besonders wichtig – was können konkrete Maßnahmen sein, um die Ungleichheit abzubauen? Das europäische Erasmus-Projekt „YesWePlan!“ forscht aktuell zu diesen Fragen. Erste Ergebnisse liegen bereits vor.
Wie ist die Lage in den einzelnen Ländern?
Hier geben die Länderanalysen, die als erster Schritt im Projekt erstellt wurden, Aufschluss.
Unterschiede zeigen sich vor allem in der Höhe des Lohngefälles. Innerhalb der Partnerländer variiert es zwischen etwa 7 % bis über 20 %. Ganz geschlossen ist der Gender Pay Gap jedoch (noch) nirgendwo in Europa.
Doch es gibt es auch viele Gemeinsamkeiten. In allen Partnerländern sehen sich Architektinnen und Bauingenieurinnen mit folgenden Herausforderungen konfrontiert:
- Das männliche Bild vom Bausektor,
- lange Arbeitszeiten, die schwer mit Familienpflichten zu vereinbaren sind,
- mittelbare Diskriminierung aufgrund von Teilzeitarbeit
- und Sexismus.
Ein ermutigendes Ergebnis liefert die Untersuchung von nationalen Unterstützungsangeboten durch Behörden und Bildungseinrichtungen sowie die Solidarität unter Frauen. Neben Unterstützungsmaßnahmen für Frauen in technischen Berufen allgemein und Gleichstellungsprogrammen im Bildungsbereich sind es vor allem Berufsnetzwerke, die eine Verbesserung der Situation herbeiführen.
architektinnen initiative nw als Best Practice Beispiel aus Deutschland
Um voneinander zu lernen, hat jede Partnerorganisation (in Deutschland ist es die Bundesarchitektenkammer) Best Practice Beispiele aus ihrem Land vorgeschlagen. In allen Ländern wurden überwiegend Beispiele von Ausstellungen, Netzwerken und Veranstaltungen aufgeführt. Jedes Partnerland ist angehalten zwei europäische Beispiele auf nationaler Ebene umzusetzen.
Wir – die architektinnen initiative nw – sind eins der deutschen Vorbilder. Ein besonders nennenswertes Beispiel zur Sichtbarkeit von Architektinnen ist der jährlich in Frankreich verliehene Prix des Femmes Architectes.
Deutlich wird aber auch, dass es flächendeckend an Maßnahmen fehlt, die Architektinnen und Planerinnen in der Ausübung ihres Berufs konkret unterstützen. Dazu zählen eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder das Schließen des Gender Pay Gaps sowie die Frauenförderung in Unternehmen. Daher wird überlegt, neue Projekte anzustoßen, die diese Lücke schließen.
Career Tracker – wie verlaufen weibliche Karrieren in der Architektur?
Dritter wichtig Baustein des Projektes „YesWePlan!!“ ist ein Mess- und Verfolgungssystem der Berufsentwicklung, das aktuell noch in der Umsetzung ist. In 100 Einzelinterviews und einer europaweiten Onlinebefragung werden persönlichen Erfahrungen im Studium, während des Berufseinstiegs und später im Berufsleben abgefragt.
Anhand der Auswertung dieser Daten, die auf Erfahrungswerten von Architekt*innen und Bauingenieur*innen basieren, und in Verbindung mit den Länderanalysen, können konkrete Maßnahmen abgeleitet werden, die die Gleichstellung der Geschlechter in der Baubranche einführen. Diese werden als vierter und letzter Projektbaustein im Frühjahr 2022 in Wien vorgestellt.
Hier geht es zur Projektwebsite: www.yesweplan.eu